Blended Therapy ergänzt Psychotherapiesitzungen durch online-basierte Programme. Die Therapieform ermöglicht einen breiteren Zugang zu Psychotherapie und macht sie zeitlich flexibler.
Medizinisch zertifizierte Online-Programme haben viel mit anderen Behandlungen gemeinsam: Damit sie helfen können, müssen sie meist regelmässig genutzt werden. Klinische Studien zeigen, dass geführte Online-Angebote, die durch Sitzungen mit einer Psychotherapeutin ergänzt werden, wirksamer sind als unbegleitete Online-Programme. Als zentraler Faktor wird die therapeutische Beziehung vermutet. Auch kommt es bei Therapeuten-gestützten Angeboten wesentlich seltener zu Therapieabbrüchen, welche bei stand-alone Online-Angeboten häufig sind.
Verzahnung von Psychotherapie und Online-Programm
Die Online-Programme werden auf unterschiedliche Arten mit Psychotherapiesitzungen kombiniert. Bei manchen Ansätzen ist das Online-Programm der Hauptbestandteil und wird lediglich durch einige Therapiesitzungen ergänzt. Umgekehrt kann die App oder Plattform als ergänzender Zusatz einer regulären Psychotherapie fungieren und diese intensivieren. Dann wiederum gibt es Blended Therapy, die zur Hälfte aus face-to-face Psychotherapie und zur Hälfte aus einem Online-Angebot besteht. Hier finden die Sitzungen und Online-Module oft im Wechsel statt und bauen aufeinander auf.
Welche Funktionen haben die Online-Programme?
Die Apps oder Plattformen kombinieren Elemente wie Tagebuchfunktionen, standardisierte Fragebogen zur Selbsteinschätzung, digital hinterlegte Krisenpläne, Wissensvermittlung über psychische Erkrankungen (Psychoedukation), angeleitete Meditationen und übungsbasierte Module. Die Module behandeln Themen wie Problemlösungsstrategien, Achtsamkeit oder Umgang mit Suchtmitteln und können in flexibler Reihenfolge bearbeitet werden. Meist kombinieren die Programme Videos und textbasierte Information. Sie verfügen über individualisierbare Erinnerungsfunktionen und Therapeutinnen und Therapeuten können der Nutzerin über die Plattform direktes Feedback zu den bearbeiteten Inhalten geben.
Vorteile und Nachteile von Blended Therapy
Indem Blended Therapy einen Teil der Verantwortung und Therapiegestaltung an die Patienten überträgt, kann sie die Selbstwirksamkeit stärken. Die Module erlauben eine grosse zeitliche Flexibilität und können an den persönlichen Tagesrhythmus und Wochenplan angepasst werden. Klinische Studien haben gezeigt, dass Blended Therapy-Ansätze, die zur Hälfte aus Psychotherapiesitzungen und zur Hälfte aus einem Online-Programm bestehen, einer konventionellen Psychotherapie bezüglich Effektivität und Symptomverbesserung nicht unterlegen sind. Dies macht die Therapieform zeit- und kosteneffizient, auch für die Patientinnen und Patienten selbst. Zugleich ist die App rund um die Uhr verfügbar und nicht mit Wartezeit verbunden. Sie vergrössert zeitlich, aber auch räumlich, den Zugang zu Psychotherapie, etwa für Personen in geografisch abgelegenen Gebieten, die durch den Ansatz dennoch eine intensivierte Form von Psychotherapie nutzen können. Zudem kann Blended Therapy die Hürde senken, eine Therapie zu beginnen.
Nachteil der Therapieform ist der teilweise Wegfall von non-verbaler Information, was es insbesondere den Therapeuten erschwert, Patienten in ihrem Leiden richtig einzuschätzen und zu betreuen. Die von Therapeutinnen und Therapeuten immer wieder geäusserte Sorge, die therapeutische Beziehung könnte sich durch das Blended Therapy-Modell verschlechtern, hat sich in zahlreichen klinischen Studien nicht bestätigt. Ebenfalls kritisch gesehen, wird der one-size-fits-all Ansatz der Online-Programme, getragen von der Sorge, dass die Programme noch nicht genügend individualisierbar sind. Blended Therapy benötigt zudem eine gute Instruktion der Therapeutinnen wie auch der Patientinnen, damit sie effektiv wirkt. Datenschutz ist ein weiteres Thema, das beachtet werden muss. Technische Probleme, wie eine langsame Internetverbindung oder komplizierte Benutzeroberflächen, können Mühe bereiten. Zudem wird befürchtet, dass Personen mit limitierten digitalen Skills benachteiligt sein könnten. Expertinnen und Experten sind sich einig, dass Blended Therapy nicht für alle Patienten gleichermassen geeignet ist und dass gemeinsam abgeschätzt und individuell ausprobiert werden muss, ob Blended Therapy im Einzelfall die richtige Therapieform ist. Zudem muss gewährleistet sein, dass einer Patientin eine passendere und wirksamere Therapieform aus Kosteneffektivitätsgründen nicht versagt bleibt.
Implementation von Blended Therapy
In mehreren klinischen Studien wurde festgestellt, dass gute Anleitung der Patientinnen sowie ein regelmässiges Therapeutinnen-Feedback das Outcome von online-basierten Therapien verbessert. Ein fixer Zeitraum für die Bearbeitung der Online-Module im wöchentlichen Behandlungsplan (zusätzlich zur freien Nutzung) kann das Nutzungsverhalten positiv beeinflussen, ebenso eine Ansprechperson vor Ort für technische Probleme oder Fragen zum Handling. Eine Studie zu Online-Programmen im nicht-psychiatrischen Kontext konnte zeigen, dass videobasierte Programme von Nutzerinnen besser angenommen werden als stark textbasierte Angebote.
Blended Therapy muss nicht nur für die Patientinnen, sondern auch für Therapeutinnen sinnvoll nutzbar gemacht werden. In einer Interventionsstudie wurde Therapeuten ein Informationsvideo vorgespielt, welches Experten-Information zu web-gestützter Therapie mit Ausschnitten aus exemplarischen Therapiesitzungen kombinierte. Dies erhöhte die Akzeptanz der teilnehmenden Therapeuten für das Format signifikant. Die Studienautoren empfehlen Interventionen für Therapeuten; von Workshops bis Training on the Job. Andernorts wird vorgeschlagen, klare Behandlungsprotokolle und Richtlinien für Blended Therapy zu erarbeiten. Auch Anleitungen zur Formulierung des Online-Feedbacks sowie Guidelines zur Patienteninstruktion werden empfohlen. Nicht zuletzt gilt es, die Online-Programme in den normalen Behandlungsablauf zu integrieren und geeignete Support-Strukturen für Patientinnen und Therapeutinnen bereitzustellen. Denn es ist nicht nur die App, sondern auch deren gelungene Einbettung, die das Medizinprodukt wirksam macht.