DBT-Behandlung einer Traumafolgestörung: Patientengeschichte

DBT-Behandlung einer Traumafolgestörung: Patientengeschichte

Alex ist 17 Jahre alt und befindet sich seit zwei Monaten zur Behandlung einer komplexen Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) in der Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie bei Clienia Littenheid. Alex wurde weiblichen Geschlechts geboren und bezeichnet sich als non-binär.

Alex’ komplexe Posttraumatische Belastungsstörung ist durch ein vom Vater ausgelöstes Kindheitstrauma entstanden. Mehr will Alex darüber nicht erzählen. Inzwischen sind die Eltern geschieden und Alex hat keinen Kontakt mehr zum Vater. Alex lebt zusammen mit der Mutter in der früheren Familienwohnung. Das Kindheitstrauma kam immer öfter an die Oberfläche, weil dieser Ort viele Trigger auslöste. Doch lassen wir Alex erzählen:

«Vor etwa einem Jahr fing alles an. Es fiel mir zunehmend schwer, mich auf den Schulstoff zu konzentrieren. Zudem fühlte ich mich wegen meines individuellen Kleidungsstils und meiner farbigen Haare mehr und mehr gemobbt. So geriet ich in eine Krise, die es mir eine Zeitlang verunmöglichte, die Mittelschule weiterhin zu besuchen. Eine ambulante Therapie half mir schliesslich, mich in sozialen Situationen besser zurechtzufinden und wieder zur Schule gehen zu können. Bis zu den Sommerferien klappte dies recht gut, aber danach erlebte ich den Wiedereinstieg als zu gewaltig und die damit einhergehende Belastung als zu gross. Nach nur drei Schulwochen hatte ich einen totalen Aussetzer, war im Unterricht nur noch körperlich präsent, die Motivation war komplett am Boden. Meine Psychologin hatte mich daraufhin eine Woche lang krankgeschrieben. In den verbleibenden, wenigen Wochen bis zu den Herbstferien ging ich zwar wieder zu Schule, aber es war klar: ein stationärer Aufenthalt in einer Klinik war unvermeidlich geworden. Zum Glück konnte ich während der Herbstferien in die Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie in Littenheid eintreten. Seither bin ich auf der offenen Psychotherapiegruppe «Linde D», der ersten zertifizierten DBT-A-Station der Schweiz. Hier gibt es für 14- bis 18-jährige Jugendliche acht stationäre Plätze zur Behandlung von Emotionsregulationsstörungen und Traumafolgestörungen. Ich habe mich hier schnell sehr wohl und gut aufgehoben gefühlt. Die anderen Patienten und Patientinnen auf meiner Therapiegruppe haben mich gut in ihrer Runde aufgenommen und von Anfang an akzeptiert: so, wie ich bin. Ich fühle mich auch von den Fachpersonen verstanden und spüre, dass man mir helfen will.

Ich habe mich entschieden, die Zeit, die ich in Littenheid verbringe, gut zu nutzen und mich auf die Bewältigung meines Traumas zu konzentrieren. Neben zwei Einzeltherapien nehme ich wöchentlich an drei verschiedenen Gruppentherapien teil. Die meisten Patienten in der Selbstwertgruppe leiden wegen den gemachten Erfahrungen und erlebten Traumas unter Selbstabwertungen und negativen Grundannahmen zur eigenen Person. Hier arbeiten wir an Umformulieren dieser Grundannahmen und an der Akzeptanz, dass es im Leben gute und schlechte Tage gibt. Wichtig ist, die guten Tage zu bemerken und sie zuzulassen. In der Skillsgruppe lernen wir spezifische Fertigkeiten, um besser mit Anspannungszuständen, selbstschädigendem Verhalten oder emotionaler Instabilität umzugehen. So kann man zum Beispiel einen scharfen Bonbon lutschen, einen spitzen Igelball kneten oder an einem Duftöl riechen, wenn man spürt, dass intensive Gefühle einen zu überwältigen drohen. Bei Düften muss man aber vorsichtig sein, weil sie auch Trigger auslösen können. In der Achtsamkeits- und Mind-Wise-Gruppe trainieren wir, Realitäten anzunehmen, ohne darüber zu urteilen und versuchen, achtsam im gegenwärtigen Moment zu bleiben. So kann ich jetzt zum Bespiel akzeptieren, wenn jemand zu mir sagt: «Das hast du nicht gut gemacht», anstatt mich darüber aufzuregen. Im Moment kann ich ja nichts an der Situation ändern. In allen drei Gruppen höre ich Beispiele und Episoden von Gleichaltrigen. Dies ermöglicht mir, einen anderen Standpunkt einzunehmen und mir zu überlegen, wie ich selber mit einer solchen Situation umgehen würde. Aus jeder Erzählung kann man zur Bewältigung seiner eigenen Geschichte etwas mitnehmen. Für mich ist das extrem hilfreich.

In den Einzeltherapiestunden haben meine Therapeutin und ich mit einer Expositionstherapie angefangen. Es gab mehrere Vorfälle mit meinem Vater, die zu meinem Trauma geführt haben. So kann ich mir immer die Situation aussuchen, die mich gerade am stärksten beschäftigt. Auch mit meiner Bezugsperson arbeite ich mit Skills. So werde ich nicht immer wieder in die belastende Situation zurückgeworfen, sondern kann «nur» in der Erinnerung bleiben. Dank der Skills habe ich in den vergangenen neun Wochen grosse Fortschritte erzielt. Wenn ich am Wochenende jeweils für 24 Stunden nach Hause fahre, weiss ich genau, wie ich mich wieder runterfahren kann, wenn Erinnerungen hochkommen oder die vielen Leute im ÖV hohe Anspannungen bei mir auslösen.

Meine Ziele sind, dass ich nach meinem Austritt besser mit den erlebten Traumata umgehen kann und mich diese im Alltag nicht mehr so stark belasten. Dass ich nicht mehr so schnell in hohe Anspannungszustände gerate und mich in der Schule wieder besser konzentrieren kann. Mein Plan ist es, weiterhin in eine ambulante Therapie zu gehen. Ich rate allen: Hol dir so schnell wie möglich Hilfe und lass dir nicht einreden, es gäbe Leute mit viel grösseren Problemen. Denn wenn dich etwas belastet, dann IST es ein Problem! Auch in deinem Umfeld gibt es mehr Menschen, die dir helfen können, als du denkst.»

 

Teil 1: Symptome einer Traumafolgestörung
Teil 2: Risikofaktoren und Ursachen einer Traumafolgestörung
Teil 3: Die Behandlung mit DBT-PTBS

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