Eine Depression entsteht durch ein Zusammenspiel von Auslösern. Auch die Therapie von Depression setzt deshalb an mehreren Punkten gleichzeitig an.
Setting
Die Behandlung einer Depression im Kindes- und Jugendalter erfolgt unter Einbezug von Familie und Umfeld (Eltern, Geschwister, Schul- oder Kindergartenlehrperson). Entsprechend gilt, dass Depressionsbehandlungen, wenn immer möglich, ambulant und im Umfeld erfolgen. Ist das Umfeld nicht genügend stabil, gefährdet das Kind oder der Jugendliche sich selbst oder andere oder stellen sich trotz ambulanter Behandlung keine Therapieerfolge ein, wird ein (teil-)stationärer Aufenthalt erwogen.
Dauer und Verlauf
Die Behandlungsdauer einer ersten depressiven Episode ist individuell, häufig sind bis zu 8-9 Monate bis zur Genesung nötig. Ungefähr die Hälfte der Behandelten erreicht Symptomfreiheit ohne weitere Episoden, bei 35% treten die depressiven Episoden wiederkehrend auf und 15% zeigen chronische Symptome, welche persistieren.
Altersgerechte Behandlung
Besonders bei Kindern und Jugendlichen liegt der starke Fokus auf altersgerechten Therapieformen. Bei Kindern steht beispielsweise Spieltherapie im Vordergrund, die es erlaubt, Emotionen und Konflikte spielerisch darzustellen und zu verarbeiten. Je älter die Jugendlichen werden, desto wichtiger wird es, ihnen schrittweise Eigenverantwortung zu übertragen und sie in die Therapiegestaltung mit einzubeziehen. Therapie mit Kindern und Jugendlichen fokussiert hauptsächlich auf das Stärken von Ressourcen. Auch eine medikamentöse Behandlung kann indiziert sein.
Psychosoziales Umfeld
Wichtiger Pfeiler der antidepressiven Therapie ist Struktur. Feste Schlafrhythmen, gemeinsames Essen und regelmässiger Schulunterricht (in einer Klinikschule oder im gewohnten Schulsetting) fördern die Genesung. Auch Anpassungen bezüglich körperlicher Bewegung, Ernährung, Drogen- und Medienkonsum sind zentral.
Psychotherapie
Bei Depressionsbehandlungen im Kindes- und Jugendalter ist die Psychotherapie die erste Wahl und verfügt über die beste wissenschaftliche Evidenz. Bevor allfällige Medikamente eingesetzt werden, sollte immer ein Versuch mit Psychotherapie erfolgen. Besonders bewährt hat sich die interpersonelle Therapie, welche auf die zwischenmenschliche Beziehung, soziale Rollen und Konflikte fokussiert. Auch kognitive Verhaltenstherapie, Spieltherapie bei Jüngeren sowie Familientherapie zeigen gute Behandlungserfolge. Der Einbezug der Eltern ist ein wichtiges Therapieelement. Begleitet wird die Psychotherapie oftmals durch Gruppenangebote, Kunst-, Musik- oder Bewegungstherapie oder tiergestützte Therapieangebote.
Medikamentöse Behandlung
Eine Behandlung durch Antidepressiva sollte bei Kindern und Jugendlichen nur bei schwerer Depression oder bei Nichtansprechen auf Psychotherapie erfolgen. Eine Ausnahme ist z.B. eine Depression bei Patienten mit begleitender Angststörung. Hier kann eine frühe Behandlung mit einem Antidepressivum sehr sinnvoll sein, um den Schulbesuch, Sport sowie den Austausch mit Gleichaltrigen wieder zu ermöglichen und vermeidendes Verhalten zu durchbrechen. Abgesehen von Johanniskraut-Präparaten sind in der Schweiz keine antidepressiven Medikamente zur Depressionsbehandlung für Kinder- und Jugendliche zugelassen, was an den hohen Hürden für eine Zulassung liegt. Antidepressiva können jedoch off-label mit Einverständnis der Eltern verschrieben werden und werden in der klinischen Praxis bei Kindern und Jugendlichen bei guter Verträglichkeit eingesetzt.
Dosierung, Rückfallprophylaxe und Absetzen von Antidepressiva
Vor Beginn einer medikamentösen Therapie sollte eine Blutentnahme mit Laboruntersuchung sowie ein EKG erfolgen. Das Eindosieren des Medikaments startet mit einer tiefen Dosis, nach dem Motto «start low, go slow». Nach Erreichen einer individuell wirksamen Therapiedosis, sollte ausreichend lange therapiert werden. Absicht dahinter ist das Ziel, eine weitere depressive Episode in der Zukunft möglichst zu vermeiden. Denn die Wahrscheinlichkeit nach einer erstmaligen Episode eine weitere depressive Episode zu erleben, liegt bei 50%. Nach der zweiten Episode steigt diese Wahrscheinlichkeit auf 80%, nach der dritten auf 90%. Ab der dritten depressiven Episode wird in der Regel eine längerfristige medikamentöse antidepressive Therapie als Rückfallprophylaxe empfohlen. Es ist also sinnvoll, bei einer ersten depressiven Episode lange genug und über das Verschwinden der Symptome hinaus zu therapieren, um weitere Episoden und eine Chronifizierung zu verhindern. Nach einer ersten depressiven Episode sollte nach dem Verschwinden der Symptome für wenigstens mehrere Monate weiter behandelt werden. Bei Depressionserkrankungen in der Familie oder begleitender ADHS-Erkrankung wird eher länger behandelt, da das Risiko für Rückfälle erhöht ist. Bereits beim Verschreiben eines Antidepressivums sollte dies mit den betroffenen Jugendlichen und Eltern besprochen und die Wichtigkeit einer Rückfallprophylaxe trotz Besserung der Symptome vermittelt werden. Die Wahl eines geeigneten Zeitpunkts für das Absetzen ist ebenso wichtig. Antidepressiva sollten beispielsweise nicht vor einer grossen Abschlussprüfung oder vor dem Übertritt in ein neues soziales Umfeld abgesetzt werden, sondern in einer möglichst stabilen Lebensphase. Das Absetzen erfolgt durch schrittweise Dosisreduktion, bei Wiederauftreten der Symptome kehrt man zur vorangegangenen Dosis zurück. Die Zeit während und nach dem Absetzen sollte durch eine Therapeutin oder einen Therapeuten betreut werden. Eine gute Nachsorge, insbesondere auch im Übergang von stationärer in die ambulante Behandlung, ist wichtig, um die erarbeiteten Veränderungen im Alltag zu stabilisieren.
Teil 1: Symptome und Diagnose
Teil 2: Ursachen
Teil 4: Patientengeschichte