Als die ambulante Therapie nicht mehr ausreichte, trat die 15-jährige Sara im vergangenen Frühling in die DBT-A-Station des Zentrums für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie der Clienia Littenheid ein. Sie fühlte sich kraft- und energielos und es fehlte ihr die Motivation, einer Tagesstruktur nachzukommen. Sie schilderte ausserdem grosse Probleme sowohl mit ihrer Konzentration als auch mit ihren Emotionen, fühlte sich leer, litt unter starken Stimmungsschwankungen, sah und hörte Dinge, die andere nicht wahrnahmen.
Sara kam schon sehr jung, mit 13 Jahren, in Berührung mit Alkohol und Drogen. Ausserdem hatte sie sexuelle Kontakte zu zum Teil deutlich älteren Männern, in denen es auch zu Übergriffen kam. Seither litt sie unter Flashbacks und starken Angstzuständen, die es ihr schwermachten, unter die Leute zu gehen. Im Alltag geriet sie oft in Anspannungszustände und wurde so wütend, dass sie andere Leute anschrie und beleidigte. Sie ritzte sich regelmässig mit scharfen Gegenständen und berichtete von Suizidgedanken, von denen sie sich aber gut distanzieren konnte. Ihrer Mutter vertraute Sara erst kurz vor dem Klinikaufenthalt an, dass sie schon seit Jahren Stimmen höre, die sie bedrohen, sie beleidigen oder ihr befehlen, etwas zu tun. Manchmal sehe sie auch kopflose Gestalten. Sara sagte, dass sie in ihren ambulanten Therapien hin und wieder versucht habe, über diese Symptome zu sprechen, sich jedoch nicht ernstgenommen fühlte.
Sara verbrachte drei Monate auf der Psychotherapiestation Linde D für Jugendliche, was einem üblichen Zyklus entspricht. Anfangs wurde sie als sehr abwesend erlebt und war schnell überfordert. Sie zeigte eine hohe Reizbarkeit, war sehr lärmempfindlich und machte einen äusserst zerbrechlichen Eindruck. Ihre paranoiden Vorstellungen und Halluzinationen waren für Sara stark schambesetzt. Unvorhergesehene Ereignisse bereiteten ihr grosse Schwierigkeiten und oft zog sie sich aus den sozialen Situationen zurück, misstraute allen Menschen um sie herum.
Neben anderen psychiatrischen Störungen ermöglichte die Diagnostik einer Psychose auch eine gezielte medikamentöse Behandlung, die rasch eine deutliche Reduktion ihrer geschilderten Beschwerden brachte. Sara entwickelte Vertrauen in ihre Umgebung und in die therapeutische Beziehung zu den Fachpersonen. Sie fühlte sich zum ersten Mal verstanden und konnte sich so auch gut in die Jugendgruppe ihrer Station integrieren. Während ihres Aufenthaltes hat Sara weder Drogen noch Alkohol konsumiert, sich keine Selbstverletzung zugefügt und auch keine suizidale Krise durchlebt. Sie konnte die Verantwortung für sich selber übernehmen und deshalb immer im offenen Setting behandelt werden. In ihrem positiven psychotherapeutischen Therapieverlauf befasste sie sich mit ihrem Kontrollverlust in hohen Anforderungssituationen, mit ihrer Reizbarkeit, ihrem Risikoverhalten, z.B. bei sexuellen Kontakten oder beim Drogenkonsum, und mit ihrer Suizidalität.
Saras geplante Wohnsituation nach ihrem Austritt war lange unklar und deshalb belastend für sie. Entgegen unserer Empfehlung einer externen Lösung kehrte sie vorerst mit ambulanter Therapiebegleitung und psychiatrischer Spitexunterstützung wieder in ihr Elternhaus zurück. Sara wollte sich aber bald eine Institution für betreutes Wohnen für Jugendliche mit Psychosen anschauen und sich für das 10. Schuljahr einschreiben.