Teil 1: Einführung in die interventionellen Verfahren
Teil 2: Wirkmechanismus interventioneller Verfahren
Interventionelle Verfahren in der Psychiatrie sind moderne Behandlungsmethoden, die auf dem aktuellen biopsychosozialen Verständnis von psychischen Störungen basieren. Gemäss diesem Verständnis werden psychische Störungen durch eine komplexe Wechselbeziehung von körperlichen, psychischen und sozialen Faktoren beeinflusst. Clienia richtet die Behandlung von psychischen Störungen ebenfalls an diesem ganzheitlichen und integrativen Konzept aus. Die Individualität eines jeden Menschen und seiner gegenwärtige Lebenssituation erfordert, dass das Behandlungsangebot auf das Individuum massgeschneidert und gegebenenfalls an den Behandlungsfortschritt angepasst wird. Hier fliessen sowohl die Krankheitsvorgeschichte und Behandlungserfahrungen als auch individuelle Bedürfnisse mit ein. Dies bedeutet, dass das Behandlungsangebot ebenso vielseitig ist und sich aus einer Vielzahl von Methoden zusammensetzt. Neben Gesprächs- und medikamentösen Therapien kommen weitere Behandlungskomponenten zur Anwendung. Im folgenden Abschnitt wird beschrieben, wo interventionelle Verfahren in der Psychiatrie hauptsächlich angewandt werden.
Ein Schwerpunkt von interventionellen Verfahren in der Psychiatrie ist momentan die Behandlung von Depressionen mit Hilfe der transkraniellen Magnetstimulation, wobei auch andere Störungen wie Abhängigkeitserkrankungen, Psychosen und Zwangserkrankungen mittels interventioneller Verfahren behandelt werden. Depressive Störungen gehören zu den häufigsten psychischen Störungen. Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gemäss leiden weltweit etwa 322 Millionen Menschen an einer Depression, was ungefähr 4,4% der Weltbevölkerung entspricht. Neben der hohen Prävalenz ist die Depression auch eine der am stärksten belastenden psychischen Störungen und verursacht eine enorme Krankheitslast. Die Globale Studie zur Erfassung der Krankheitslast (2018; Global Burden of Disease Study) klassifiziert die schwere Depression in die siebte und somit höchste Klassifikationsstufe, gemeinsam mit einer schweren Psychose, einer Querschnittslähmung und einer Krebserkrankung. Darüber hinaus sind depressive Störungen gekennzeichnet durch einen häufig wiederkehrenden Verlauf. Nach der ersten depressiven Episode erleben ungefähr die Hälfte der betroffenen Personen mindestens eine weitere Episode, wobei Betroffene im Durchschnitt fünf bis neun depressive Episoden in ihrem Leben durchlaufen. Aufgrund dieser Krankheitsmerkmale kann die Behandlung einer Depression eine erhebliche Herausforderung darstellen. Obwohl mit der Kombination aus Psychotherapie und Medikamenten eine generell effektive Behandlungsform vorhanden ist, profitieren nicht alle betroffenen Personen davon. Bei solchen therapierefraktären Depressionen sind die interventionellen Verfahren eine vielversprechende Behandlungsalternative. Wie bereits in Teil 2: Wirkmechanismus beschrieben, wird bei der Behandlung mittels transkranieller Magnetstimulation gezielt die Aktivität des präfrontalen Kortex, also des Gehirnareals im Stirnbereich, verändert. Die daraus resultierende antidepressive Wirkung baut sich im Laufe der Behandlungen nach und nach auf. Daher werden Serien von mehreren Einzelbehandlungen durchgeführt. Die Behandlung einer Depression mit Hilfe der transkraniellen Magnetstimulation zielt auf eine Normalisierung der Gehirnaktivität ab, die durch die Kombination von Psychotherapie und Medikamenten in manchen Fällen nicht ausreichend erreicht werden konnte. Ein besonderer Vorteil dieser Methode ist die minimal-invasive Natur des Verfahrens und die geringen Nebenwirkungsrisiken.
Weitere Störungen, bei denen interventionelle Methoden einen Teil des Behandlungsangebots darstellen können:
- Zwangsstörungen
- chronische Schmerzen
- Einzelne Symptome der Schizophrenie
- Abhängigkeitserkrankungen, um das Suchtmittelverlangen (das sogenannte Craving) zu reduzieren
- neurologische Erkrankungen wie Multiple Sklerose und Morbus Parkinson
- Tic-Störungen