Mit der Unterstützung eines Job Coachings nach dem Modell “Individual Placement and Support (SE-IPS)” finden psychisch erkrankte Menschen bis zu sechs Mal häufiger einen Job auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Wie läuft ein solches Job Coaching genau ab?
Phasen des Job Coachings
Das „Individual Placement and Support (SE-IPS)” ist eine Form des Job Coachings, welche Menschen mit psychischer Erkrankung beim Wiedereinstieg in den allgemeinen Arbeitsmarkt begleitet. Wer an einem Job Coaching nach dem IPS-Modell teilnimmt, durchläuft dabei vier verschiedene Phasen: Orientierung – Stellensuche – Stellenantritt – Nachbegleitung. Dabei gibt es kein vorgängiges Trainingsprogramm, stattdessen beginnt man umgehend mit der Stellensuche, unterstützt durch den Job Coach.
Orientierungsphase
Die Anmeldung zum Job Coaching Programm erfolgt entweder durch die Betroffenen selbst oder durch Ärztinnen, Arbeitgebende oder durch die Sozialversicherungen, insbesondere durch die IV-Stelle. Teilnehmen können alle Personen mit psychischer Erkrankung, die den Wunsch haben, im allgemeinen Arbeitsmarkt zu arbeiten. Finanziert wird das Programm in der Regel durch die Invalidenversicherung.
Auf die Anmeldung folgt ein Erstgespräch mit dem Job Coach. In diesem Gespräch werden die beruflichen Wünsche und Möglichkeiten der Teilnehmenden besprochen. Zudem werden die Klienten über das Beratungsangebot und den Ablauf des Job Coachings informiert. Zusammen mit dem Job Coach gewinnen die Klienten eine Übersicht über ihre momentane berufliche, private, gesundheitliche und finanzielle Situation. Miteinander evaluiert man die persönlichen Interessen, die aktuelle Wochen- und Tagesstruktur, das persönliche soziale Netzwerk, den schulischen und beruflichen Hintergrund, die finanzielle Situation, die beteiligten Institutionen, Therapieteams und Bezugspersonen. Die Einschätzungen von Familie, Freunden und ehemaligen Arbeitgebenden können helfen, sich der eigenen Stärken bewusst zu werden. Mit Einwilligung des Klienten kann der Job Coach auch mit Ärztinnen und Therapeuten Kontakt aufnehmen. Durch diese Informationen klären Klient und Job Coach das Berufsprofil und erstellen passende Bewerbungsunterlagen. Mögliche Unterbrüche im Lebenslauf bereiten den Teilnehmenden an dieser Stelle manchmal Sorgen. Gemeinsam mit dem Job Coach erarbeiten die Klientinnen einen Weg, wie ein Um- oder Unterbruch im beruflichen Werdegang dem zukünftigen Arbeitgebenden am besten kommuniziert wird.
Im Laufe des Coachings können sich die beruflichen Wünsche, Ziele und Möglichkeiten des Klienten immer wieder verändern. Diese neuen Erkenntnisse fliessen laufend ins Job Coaching ein und bestimmen das weitere Vorgehen.
Stellensuche
Eines der Kernelemente des IPS-Job Coaching Modells ist der rasche Beginn der Stellensuche. Oftmals empfinden es die Klientinnen und Klienten als starkes Empowerment, wenn sie selbständig in Kontakt mit künftigen Arbeitgebenden treten und die Stellenvermittlung in den allgemeinen Arbeitsmarkt gelingt. Gleichzeitig ist es möglich, dass Job Coaches auf ihr Netzwerk zurückgreifen und gezielt bei der Vermittlung und Kontaktaufnahme unterstützen. In Rollenspielen können sich Job Coach und Klientin auf das Vorstellungsgespräch vorbereiten und Sicherheit entwickeln. Auch der Umgang mit Absagen wird gemeinsam besprochen. Gelingt die Stellensuche, wird oftmals ein Standortgespräch mit den behandelnden Bezugspersonen und Therapeuten geplant. Auf die enge Zusammenarbeit von Klientin, Job Coach und Behandlungsteam wird im IPS-Job Coaching grossen Wert gelegt, damit Veränderungen und Herausforderungen gemeinsam angegangen werden können.
Stellenantritt
Bei Stellenantritt entscheiden die Klienten selbst, ob sie den neuen Arbeitgebenden über das Job Coaching informieren. Auf Wunsch des Klienten kann sich der Job Coach im Hintergrund halten. Es kann allerdings hilfreich sein, wenn der Job Coach mit dem Vorgesetzten in Kontakt steht und an Mitarbeitendengesprächen teilnimmt, welche dem Coaching je nach Situation eine neue Richtung geben.
Mit dem Stellenantritt rücken neue Themen ins Zentrum: der Tagesrhythmus wird umgestellt, man gestaltet den neuen Arbeitsweg, lebt sich in ein neues Team ein, findet einen Umgang mit Vorgesetzten, erprobt seine Belastbarkeit und Grenzen, muss Pausen und Ausgleich finden. In all diesen Bereichen kann der Job Coach aktiv unterstützen. Es kann sich bewähren, das Pensum und die Aufgaben gemeinsam mit dem Arbeitgeber schrittweise zu steigern, so dass neben der neuen Arbeit weiterhin Zeit bleibt, die Therapie weiterzuführen und sich zu erholen.
Nachbegleitung
Die Begleitung durch den Job Coach ist zeitlich nicht begrenzt. Dies ist ein wichtiges Merkmal des IPS Programms, welches dafür sorgt, das Stellen nicht nur vermittelt, sondern auch längerfristig erhalten werden, da die Genesung von psychisch erkrankten Personen meist nicht linear verläuft. Der Job Coach motiviert die Klientin regelmässig Feedback bei Vorgesetzten einzuholen. Auch weitere Gespräche zu dritt mit dem Arbeitgebenden können stattfinden. Gemeinsam achten Job Coach und Klientin auf Unterforderung und Überforderung im neuen Beruf und überprüfen, ob die Stelle weiterhin passt. Sie lösen gemeinsam Konfliktsituationen im Team oder entwickeln Strategien, wie bei der Arbeit mit Symptomen der Erkrankung umgegangen wird. Mit dem Job Coach legt die Klientin einen Notfallplan fest und vereinbart Frühwarnsymptome, welche für eine Intensivierung der psychiatrischen Behandlung sprechen würden. In der Psychotherapie wie auch im Coaching kann zudem der Umgang mit Autoritätspersonen oder mit Kritik thematisiert werden. Auch Themen wie Druck, Zeitmanagement oder das Vermeiden von wichtigen Aufgaben können zusammen mit dem Job Coach bearbeitet werden. An anderer Stelle übt man gemeinsam, Smalltalk zu führen und Kontakte zu Arbeitskollegen im Pausenraum zu knüpfen. Der Job Coach unterstützt nicht nur am Arbeitsplatz, sondern auch bei der Freizeitgestaltung. Sportliche Aktivitäten und Hobbies werden besprochen oder Wochenend- und Ferienpläne entwickelt. Teilzeitarbeitende werden in der Gestaltung ihrer arbeitsfreien Tage begleitet. Im Vordergrund stehen in der Nachbegleitung wie auch in den anderen drei Phasen stets die individuellen Bedürfnisse der Klientinnen und Klienten. Sollte ein Arbeitsplatzwechsel anstehen, so begleitet der Job Coach erneut durch die vorangegangenen Phasen des Coachings.