Die Sonne wurde schon immer als lebensspendende Kraft angesehen, die uns neben der Wärme auch das tägliche Licht liefert. Dennoch wurde die Bedeutung des Lichts für die Behandlung von Krankheiten erst im Zeitalter der Industrialisierung beobachtet. Damals veränderten sich die Lebensgewohnheiten vieler Menschen: Sie zogen in Städte, arbeiteten mehr und hielten sich vermehrt in dunkler Umgebung auf. Aufgrund dessen wurde Anfang des 20. Jahrhunderts die Lichtexposition ein beachtetes Therapiekonzept für eine Reihe von Erkrankungen. Aber weshalb ist Tageslicht so wichtig und therapeutisch nutzbar?
Tageslicht ist lebensnotwendig, da es den wichtigsten Zeitgeber für die rhythmischen Prozesse des Körpers darstellt. Infolge der Rotation der Erde um ihre eigene Achse verändern sich Umweltbedingungen wie zum Beispiel die Menge an Licht in einem Rhythmus von ungefähr 24 Stunden. Tageslicht wird von der lichtempfindlichen Netzhaut im Auge aufgenommen und zu den so genannten suprachiasmatischen Kernen (SCN), einem Areal im Gehirn, weitergeleitet. Diese Kerne agieren als innere Uhr und Haupttaktgeber des menschlichen Körpers, indem sie im Abend- und Nachtlicht den Zyklus verlangsamen, während er im frühen Morgenlicht beschleunigt wird. Diese innere Uhr ist dafür verantwortlich, die vorhandenen Uhren in praktisch jeder Zelle zu synchronisieren, um wichtigen Funktionen des Gesamtorganismus einen zeitlichen Rahmen zu geben. Der Tagesrhythmus steuert oder beeinflusst den Schlaf-Wach-Rhythmus, den Hormonspiegel, die Körpertemperatur, die Herzfrequenz, den Blutdruck und weitere Stoffwechselfunktionen.
Aber auch bei psychischen Erkrankungen kann der Tagesrhythmus eine wichtige Rolle spielen. Die saisonal-abhängige Depression (Seasonal Affective Disorder, SAD) ist eine Form der Depression, die mit dem Wechsel der Jahreszeiten zusammenhängt. Sie beginnt und endet jedes Jahr etwa zur gleichen Zeit. In den meisten Fällen treten die Symptome der saisonal-abhängigen Depression im Spätherbst oder Frühwinter auf und verringern sich während der sonnigeren Tage im Frühling und Sommer. Seltener leiden Menschen am umgekehrten Muster. In beiden Fällen können die Symptome zunächst leicht erscheinen und sich im Laufe der Jahreszeit verschlimmern. Es wird vermutet, dass die kürzeren Tage und das geringere Tageslicht eine chemische Veränderung im Gehirn auslösen, die zu depressiven Symptomen führt. Demnach kann es durchaus normal sein, dass sich jemand in den kalten und regnerischen Monaten eher bedrückt fühlt. Wenn jedoch folgende Symptome tagelang vorliegen, können sie Anzeichen einer Herbst-/Winter-Depression sein:
- Lustlosigkeit, Traurigkeit oder Niedergeschlagenheit den größten Teil des Tages an fast jedem Tag
- Verlust des Interesses an Aktivitäten, die man früher gerne gemacht hat
- Geringe Energie und Trägheit
- Probleme mit zu viel Schlaf
- Heißhunger auf Kohlenhydrate, Überernährung und Gewichtszunahme
- Konzentrationsschwierigkeiten
- Sich hoffnungslos, wertlos oder schuldig fühlen
Zu den spezifischen Symptomen der Sommer-saisonalen affektiven Störung, auch Sommerdepression genannt, gehören:
- Schlaflosigkeit
- Verringerter Appetit
- Gewichtsverlust
- Konzentrationsstörungen
- Unruhe und Nervosität
Die Behandlung mit Licht zeigt sich bei der saisonal-abhängigen Depression als äusserst wirksam und wird deshalb häufig miteingesetzt.
Im zweiten Teil werden wir die verschiedenen Wirkmechanismen der Lichttherapie beschreiben.