Alter ist der stärkste Risikofaktor für Demenz, ca. jede dritte Person über 80 Jahre erkrankt an einer demenziellen Störung. Es gibt jedoch viele Möglichkeiten dieses Risiko durch gezielte Prävention zu senken, auch noch im hohen Lebensalter.
Es ist nie zu früh für Demenzprävention und nie zu spät, hält eine grosse Studie zur Demenzprävention (Livingston et al., The Lancet, 2020) fest. Demenzprävention beginnt bei umfassender Schulbildung in der Jugend, setzt sich mit der Behandlung von Hörverlust und Bluthochdruck im mittleren Lebensalter fort und hat selbst im hohen Alter noch einen grossen Einfluss auf das Demenzrisiko. Die Lancet-Studie hält für das höhere Alter folgende beeinflussbaren Risikofaktoren fest: Rauchen (5%), Depression (4%), soziale Isolation (4%), körperliche Inaktivität (2%), Luftverschmutzung (2%) sowie Diabetes (1%). Die Prozentzahlen beziehen sich auf die errechnete Senkung der Demenzerkrankungen in der Bevölkerung, wenn der betreffende Risikofaktor komplett eliminiert würde.
Rauchen
Rauchen ist klar mit erhöhtem Demenzrisiko assoziiert. Ein Rauchstopp, auch im höheren Alter, reduziert nachweislich das Demenzrisiko. Über 60-jährige Personen, die 4 Jahre nicht rauchten, senkten ihr Demenzrisiko in den nachfolgenden 8 Jahren signifikant.
Depression
Zwischen Demenz und Depression gibt es eine Assoziation, welche in zwei Richtungen funktioniert: Depressionen begünstigen Demenz. Demenzen wiederum können zu Depressionen führen. Häufig ist es nicht einfach, zwischen Auslöser und Folge zu unterscheiden. Erschwerend kommt hinzu, dass die Symptome einer Depression (z.B. Kognitionsstörungen) einer Demenz ähneln und mit ihr verwechselt werden können. Depressive Symptome aufgrund einer Demenzerkrankung treten, als Teil des Prodroms, oftmals Jahre vor dem klinischen Demenzbeginn auf. Dies erschwert die Forschung und führt zu Bias, da depressive Symptome im Vorfeld einer Demenzerkrankung nicht zwingend Auslöser, sondern auch Frühsymptom der Demenzentstehung sind. Dennoch gilt als erwiesen, dass Depressionen, insbesondere im hohen Lebensalter, das Demenzrisiko erhöhen. Antidepressiva, wie SSRI, scheinen einen Einfluss auf die Verlangsamung einer bestehenden Demenz zu haben. Inwiefern sie auch verhindern, dass sich eine Demenz überhaupt erst ausbildet, ist noch weniger gut erforscht.
Soziale Isolation
Wenig Sozialkontakt steigert das Demenzrisiko. Umgekehrt verbessert hoher Sozialkontakt die kognitiven Funktionen im späteren Leben. Auch hier ist zu beachten, dass sozialer Rückzug zu den Frühsymptomen der Demenz gehört und bereits Teil der Vorläuferphase sein kann, was die Erforschung des Risikofaktors und seiner Kausalität erschwert. Eine japanische Longitudinalstudie (Saito et al., J Epidemiol Community Health, 2018) hat herausgefunden, dass eine Partnerschaft, gegenseitige Unterstützung durch Familienangehörige, Austausch mit Freunden, Engagement in Vereinen sowie bezahlte Arbeit alles Faktoren sind, die linear mit einem niedrigeren Demenzrisiko vergesellschaftet sind. Insbesondere Partnerschaften erhöhen den sozialen Kontakt massgeblich, wie eine weitere Studie festhält. Verwitwete sowie zeitlebens alleinstehende Personen erkranken häufiger an Demenz, verglichen mit Verheirateten. Dieses Resultat zeigt sich in verschiedenen soziokulturellen Settings, unabhängig von Bildung und körperlicher Gesundheit.
Körperliche Inaktivität
Mangelnde körperliche Aktivität steht in engem Zusammenhang mit Bluthochdruck und Diabetes, beides unabhängige Risikofaktoren für Demenz. Da sich Personen mit Demenz-Prodrom in den 10 Jahren vor Krankheitsausbruch teilweise bereits weniger bewegen, ist hier erneut der Bias zu beachten. Die körperliche Inaktivität ist nicht nur Auslöser, sondern auch Folge von demenziellen Prozessen im Gehirn. Dass Bewegung auch bei Gesunden einen positiven Effekt auf die kognitive Leistungsfähigkeit hat und hilft, diese beizubehalten, gilt als erwiesen.
Diabetes
Diabetes Typ 2, welcher häufig durch Fehlernährung und mangelnde körperliche Aktivität entsteht, ist mit erhöhtem Demenzrisiko verbunden. Je stärker und länger der Diabetes, desto höher das Demenzrisiko. Folglich ist eine gute Einstellung des Blutzuckers zentral, Mittel dazu sind Lifestyle und Medikamente.
Luftverschmutzung
In Mausmodellen beschleunigt Luftverschmutzung die Schädigung der Gefässe sowie die Ablagerung von Beta-Amyloid im Gehirn. Insbesondere Stickstoffdioxid, Feinstaub und Kohlenmonoxid erhöhen das Demenzrisiko. Heizen und Kochen mit Holzfeuern, wie es in Ländern mit niedrigem Grundeinkommen teils üblich ist, scheint einen etwas stärkeren Einfluss zu haben als die Luftverschmutzung durch Autoabgase.
Schlaf und Ernährung
Nebst obengenannten belegten Risikofaktoren untersucht die Lancet-Studie auch den Einfluss von Schlaf und Ernährung auf das Demenzrisiko. Interessanterweise scheint sowohl zu langer als auch zu kurzer Schlaf (weniger als 5 Stunden) das Demenzrisiko zu steigern, ebenso schlechte Schlafqualität, abnormaler zirkadianer Schlafrhythmus sowie obstruktive Schlafapnoe. Gestörter Schlaf führt zu einer höheren Beta-Amyloid-Ablagerung, erhöhtem Tau und höherer Entzündung sowie weniger Reinigung durch das «glymphatische» System, welches das Gehirn im Schlaf von Abfallstoffen befreit.
Der Einfluss von Ernährung auf die Demenzentstehung wird sehr kontrovers diskutiert, insbesondere bezüglich Nahrungsergänzungsmitteln. Die WHO empfiehlt, basierend auf der aktuellen Datenlage, eine mediterrane Diät, rät aber von Nahrungssupplementen zur Demenzprävention ab.
Prävention bei bestehender Demenz
Nebst oben genannten Faktoren, welche die Demenzentstehung begünstigen, gilt es bei beginnender Demenz auch Verstärker zu meiden. Es lohnt sich, gemeinsam mit den behandelnden Ärztinnen und Ärzten die Medikamentenliste regelmässig zu prüfen und Sturzprävention zu betreiben, um Spitalaufenthalte zu vermeiden. Spitalaufenthalte können bei dementen Patienten und Patientinnen zu einer Verschlechterung der Erkrankung führen. Es ist deshalb wichtig, bei notwendigen Spitalaufenthalten ein möglichst vertrautes Umfeld zu schaffen, Überstimulation zu vermeiden, die Orientierung durch Schilder, Uhren, Zeitpläne zu erleichtern, zusätzliche Infekte zu verhindern, auf eine geeignete Trinkmenge zu achten, demenzfördernde Medikamente zu meiden und Schmerzen gut zu behandeln, da Schmerzen das Delirrisiko steigern. Ein Delir ist ein akut einsetzender, in der Regel vorübergehender Zustand von Verwirrung, der v.a. bei älteren Patientinnen und Patienten auftreten kann, beispielsweise nach Operationen. Ein Delir kann zur Verschlechterung einer vorbestehenden Demenz führen. Das Vermeiden und Behandeln von Delir ist deshalb ein wichtiger Teil der Demenzprävention.
Nicht zuletzt ist auch rechtzeitige Vorsorge bezüglich Demenz zentral, im Rahmen eines Vorsorgeauftrags, regelmässiger Fahreignungsprüfung sowie einer Patientenverfügung. Prävention betrifft zudem nicht nur die demenzerkrankten Personen, sondern auch deren pflegende Angehörige, um zu verhindern, dass diese unter der Belastung selbst eine Depression oder Angststörung entwickeln. Hier können Tagesbetreuungsangebote für Demenzerkrankte und Spitex bereits früh im Krankheitsprozess Entlastung bieten.
Teil 1: Risikofaktoren und Ursachen
Teil 2: Prävention der Demenz in Kindheit, Jugend und mittlerem Erwachsenenalter