Im ersten Beitrag zum Thema Schulabsentismus wird der Begriff definiert sowie die unterschiedlichen Ursachen vorgestellt.
Fast jeder 2. Schüler bzw. Schülerin in der Schweiz hat nach aktuellem Kenntnisstand im Laufe seiner Schulkarriere schon einmal die Schule geschwänzt. Allerdings kommt das Schulschwänzen schon im Kindergartenalter vor und nimmt mit zunehmenden Alter sowie in allen Schulformen stetig zu. Schulabsentismus kann zu schwerwiegenden Folgen für die Gesamtentwicklung eines Kindes führen. Einerseits kann der Schulabschluss nicht gewährleistet werden, was die Integration ins Arbeitsleben erschwert, andererseits führt es zu Schwierigkeiten in der gesellschaftlichen Integration. Abgesehen von der Einschränkung der Lebensperspektiven des Einzelnen führt Schulabsentismus auch zu volkswirtschaftlichen Kosten. Die Ursachen für Schulabsentismus sind häufig komplex und vielseitig. Den schulischen Absenzen liegt zumeist eine tiefergehende Schwierigkeit zugrunde, die sich aus unterschiedlichen Einflussfaktoren zusammensetzen kann.
Definition Schulabsentismus
Als Schulabsentismus gelten häufige unentschuldigte schulische Fehlzeiten, die mit einem erheblichen Widerstand gegen den Schulbesuch einhergehen und denen keine körperliche Ursache zugrunde liegt. Es können unterschiedliche Formen von Schulabsentismus vorliegen. Dazu zählt die Schulverweigerung oder das Schulschwänzen, die Schulangst, die Schulphobie, die schulische Überforderung sowie die schulische Unterforderung. Die Schulverweigerung oder das Schulschwänzen bezeichnet das absichtliche Fernbleiben vom Unterricht. Häufig zeigt sich bereits im Vorfeld eine Schulunlust, häufiges Störverhalten im Unterricht, unzureichende elterliche Kontrollmechanismen, dysfunktionale familiäre Beziehungsstrukturen, Rollenumkehr sowie die Bevorzugung angenehmeren Aktivitäten. Die Schulangst beschreibt die Absenz aus Angst vor bestimmten Situationen. Dies kann aufgrund von Angst vor Mitschülern, Demütigung, Bedrohung, Ausgrenzung, Prüfungsangst oder sozialen Ängsten geschehen. Die Schulphobie beschreibt das Fernbleiben vom Unterricht aufgrund von Angst vor der Trennung von der Bezugsperson. Betroffene Kinder fürchten, dass der Bezugsperson etwas zustossen könnte. Dem liegen häufig dysfunktionale Bindungs- und Beziehungsstrukturen, Rollenumkehr oder familiäre Belastungen zugrunde. Bei der schulischen Überforderung kommt es zu Absenzen, da das Kind die schulischen Leistungsanforderungen nicht ausreichend erfüllen kann. Gründe dafür können eine Lern- oder Teilleistungsstörung, Entwicklungsauffälligkeiten oder psychische Probleme sein. Im Gegensatz dazu kommt es bei einem Teil der Kinder auch zu einer schulischer Unterforderung ,zum Beispiel aufgrund von Hochbegabung. Die Ausprägung des Schulabsentismus kann sich unterschiedlich zeigen. Einerseits können die Anzahl und Dauer von Fehlzeiten berücksichtigt werden. Die Anzahl Fehlzeiten kann einzelne Lektionen, einzelne Tage oder ganze Wochen umfassen. Andererseits kann es auch zu sogenannten Fehl-Mustern kommen. Ein Fehl-Muster beschreibt das regelmässige Fehlen in bestimmten Fächern oder an bestimmten Tagen. Beispielsweise fehlen Kinder dann jeweils im Sport-Unterricht oder im Mathematik-Unterricht. Es kann aber auch zu Start- oder Rückkehrproblemen kommen. Dies kann sich vor oder nach den Ferien oder dem Wochenende zeigen, wie auch morgens oder abends an einem Schultag.
Ursachen für Schulabsentismus
Es gibt eine Reihe an unterschiedlichen Ursachen für Schulabsentismus. Diese können in übergeordnete Kategorien eingeteilt werden. Dazu gehören familiäre Faktoren, kindliche Faktoren, schulbezogene Faktoren sowie weitere Faktoren. Die familiären Faktoren schliessen die Überforderung im Familiensystem, Sorge um Familienmitglieder und Vernachlässigung mit ein. Grundsätzlich gehören alle Ursachen, die sich aus dem familiären Umfeld ergeben, in diese Kategorie. Kindliche Faktoren umfassen Ängste oder andere psychiatrische Erkrankungen, fehlende Motivation oder Lernschwierigkeiten. Die kindlichen Faktoren lassen sich beim Kind selbst finden und haben individuell unterschiedliche Ursachen. Zu den schulbezogenen Faktoren gehören Mobbing, Konflikte mit Schülern oder Lehrpersonen, Über- oder Unterforderung und Angst vor Situationen oder Personen. Die Kategorie weitere Faktoren stellt ein Sammelbecken dar für alle Ursachen, die nicht in die vorangehenden Kategorien eingeteilt werden können. Die Ursachen aus den unterschiedlichen Kategorien beeinflussen sich wechselseitig. So kann beispielsweise die Sorge um ein Familienmitglied zur Ausprägung klinischer Ängste führen, die wiederum zu Ängsten im schulischen Kontext führen. Die Frage nach den Ursachen muss demnach bei jedem Fall individuell abgeklärt werden. Die Behandlung richtet sich entsprechend nach den Bedürfnissen des Kindes und seines Umfeldes.
Teil 2: Formen und Therapiemöglichkeiten