Zwangsstörung: Behandlung

Zwangsstörung: Behandlung

Zwangsstörungen heilen selten von selbst. Durch kognitive Verhaltenstherapie können die Symptome jedoch erfolgreich behandelt werden. 

Chronifizierung
Bis eine Person mit Zwangserkrankung eine geeignete Behandlung beginnt, dauert es im Schnitt 7 Jahre. Betroffene versuchen, ihre Symptome oftmals nicht zu zeigen, da sie ihr Verhalten als unsinnig empfinden, es jedoch nicht unterbinden können. Oder sie schämen sich für Zwangsgedanken mit aggressiven oder sexuellen Inhalten und haben Angst, diese in die Tat umzusetzen, je mehr sie sich damit auseinandersetzen. Leider heilen Zwangserkrankungen nur selten von selbst. Vielmehr zeigen sie eine Ausbreitungsneigung und verstärken sich mit der Zeit. Je früher mit der Behandlung begonnen wird, desto besser ist die Prognose. Auch bei chronifizierter Erkrankung kann eine Behandlung den Schweregrad deutlich reduzieren und zu einer guten Symptomlinderung führen.

Kognitive Verhaltenstherapie
Die nachhaltigsten Therapieerfolge in der Behandlung von Zwangsstörungen zeigt die Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) mit Expositionstraining und Reaktionsmanagement. Sie sollte, wenn immer möglich, einer medikamentösen Therapie vorgezogen oder zumindest ergänzend zu dieser in Anspruch genommen werden. Zu Beginn werden Betroffene ausführlich über die Erkrankung und die Prozesse, die zu ihrer Aufrechterhaltung beitragen, informiert. Häufig wird eine Liste von Zwangsgedanken/-handlungen erstellt und priorisiert, welche davon als besonders störend empfunden werden. Für jeden aufdringlichen Gedanken («der Türgriff ist schmutzig»), wird eine Bedeutung («die Bakterien sind gefährlich und ich könnte sie verbreiten») notiert, das dazugehörige Gefühl (Angst, Ekel) herausgearbeitet und die neutralisierende Handlung (Händewaschen) festgehalten. In der Therapie wird mittels kognitiver Interventionen nicht beim Gedanken, sondern bei dessen Bedeutung angesetzt. Es geht hier darum, dysfunktionale Überzeugungen («ich gefährde mich und andere durch die Verbreitung von Bakterien») durch funktionale Einstellungen zu ersetzen. Zweiter Baustein der Therapie ist die gezielte Exposition. Diese setzt bei der neutralisierenden Handlung an. Die Person muss eine Türklinke berühren, ohne sich danach die Hände zu waschen. Diese Exposition findet in Begleitung der Therapeut:in in der Alltagssituation statt und wird detailliert vorbesprochen. Es gilt die Gefühle, welche durch das Unterlassen der Handlung entstehen, gemeinsam auszuhalten. Dabei machen die Betroffenen die Erfahrung, dass die Gefühle nach einer gewissen Zeit von selbst wieder schwächer werden. Nachdem diese Exposition in Begleitung wiederholt erfolgreich durchgeführt wurde, kann sie zwischen den Sitzungen selbstständig geübt werden. Dabei findet ein Lernprozess statt; die Betroffenen machen die Erfahrung, die unangenehmen Gefühle auch ohne Zwangshandlungen bewältigen zu können. 

Umfeld
Zwänge können das persönliche Umfeld massiv belasten und selbst zu Konflikten führen bzw. diese aufrechterhalten. Angehörige spielen daher eine wichtige Rolle in der Therapie von Zwängen. Insbesondere bei Kindern wird die kognitive Verhaltenstherapie häufig durch Familiengespräche ergänzt. Wichtig ist für Angehörige wie auch Betroffene zu wissen, dass Zwangsgedanken nicht in die Tat umgesetzt werden. Nicht selten erleben Eltern Schuldgefühle, sind erschöpft durch Auseinandersetzungen, fürchten um ihre Beziehung zum Kind oder sind sich innerhalb der Partnerschaft uneinig, wie mit dem Verhalten des zwangserkrankten Kinds umgegangen werden soll. Um das Verhalten der zwangserkrankten Person nicht persönlich zu nehmen, kann es helfen, zu verinnerlichen, dass gerade der Zwang und nicht die betroffene Person die Handlungen veranlasst. Druck auszuüben und zu ermahnen «sich zusammenzureissen» ist wenig hilfreich, da es die Anspannung verstärkt. Gleichzeitig ist es wichtig, dass sich Angehörige nicht in Zwänge einbinden lassen. Leidet das Kind unter einem Waschzwang, sollten die Eltern keine Seifenvorräte anschaffen. Es gilt die erkrankte Person zu unterstützen, nicht aber deren Zwang. Es existieren Leitfäden für Eltern und Angehörige, wie sie am besten Unterstützung leisten können. Die aktuelle Studienlage zeigt, dass Zwangsverhalten der Eltern die Wirkung von therapeutischen Interventionen beim Kind um das sechsfache verringern kann. Folglich ist es zentral, die ganze Familie in die Behandlung miteinzubinden, um aufrechterhaltende Faktoren zu vermeiden.

Medikamente
Zwangserkrankungen können auch wirksam medikamentös behandelt werden. Idealerweise wird die medikamentöse Behandlung jedoch nicht alleine angewandt, sondern immer mit Psychotherapie kombiniert. Die Indikationen für eine medikamentöse Behandlung sind eine ausgeprägte Krankheitsschwere, begleitende depressive Symptome, Patientenpräferenz und auch die Überbrückung bis ein Therapieplatz zur Verfügung steht. Medikamentöse Therapie der Wahl ist die Gabe von modernen Antidepressiva aus der Gruppe der Selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer. Für diese Indikation sind in der Schweiz Citalopram, Escitalopram, Sertralin, Fluvoxamin und Paroxetin zugelassen. Alle SSRIs sind gleich wirksam, unterscheiden sich leicht in ihrem Nebenwirkungsprofil und ihrer Kombinierbarkeit mit anderen Medikamenten. Anders als bei Depressionen werden höhere Dosierungen gewählt, die Wirkung ist frühestens nach ca. 6 Wochen erkennbar. Bei ausbleibender Wirkung kann das Präparat gewechselt werden oder die zusätzliche Gabe eines modernen Antipsychotikums erwogen werden.

Verlauf
Umfangreiche wissenschaftliche Studien zeigen, dass die psychotherapeutische wie auch die medikamentöse Behandlung wirkt und die Gehirnaktivität verändert. Zwar werden Betroffene durch die Behandlung selten vollständig symptomfrei, oftmals können die Symptome jedoch so stark reduziert werden, dass sie im Alltag nur noch wenig stören und die Lebensqualität deutlich zunimmt.

Teil 1: Symptome und Diagnose
Teil 2: Ursachen

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